unter dem titel «Vergesst nicht, woher ihr kommt und wer ihr seid!» hat andrea leitner, gemeinderätin der AL, für Lokalinfo Zürich Nord eine träf formulierte politische geschichte mit herz&kopf erzählt:
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Andrea Leitner, Gemeinderätin, AL Zürich |
Vor zwei Wochen war ich an einem Konzert von Jello Biafra, der als
demokratischer Anarchist, wie er sich selber bezeichnet, seit Jahrzehnten unermüdlich
die politischen und wirtschaftlichen Machtverhältnisse, in denen wir leben,
kommentiert. Biafra rief irgendwann von der Bühne herab: «Vergesst nicht, woher
ihr kommt und wer ihr seid!» So kam ich nicht umhin, dort – inmitten von
ausgelassenen, Pogo tanzenden Männern und Frauen – auch an uns Linke hier im
Gemeinderat zu denken und wofür für einstehen und an uns als Bewohnerinnen und
Bewohner der Stadt Zürich und des Landes Schweiz. Und ich nahm mir dort vor, das
hier an dieser Stelle zu erwähnen.
Wir
leben in einer interessanten Zeit, weil man sich nun endlich wieder ernsthaft
überlegt, was man einem Wirtschaftssystem, das ohne Rücksicht auf Verluste den
Einzelnen nach Bedarf einsaugt und ausspuckt, dessen mächtigste Exponenten sich
nur noch selber bereichern und die den Staat aus nachvollziehbarem Eigennutz
möglichst zahnlos sehen wollen, entgegenhalten kann.
Wer sind wir? Die meisten von uns sind nicht wohlhabend. Die meisten von
uns sind bis zur Pensionierung auf einen Lohn angewiesen, und darauf, dass sie
danach von ihrer Rente leben können. Die meisten von uns zahlen für ihre
Behausung eine Miete und machen sich Sorgen, dass sie sich diese irgendwann
einmal nicht mehr leisten können. Die meisten von uns müssen sich darauf verlassen
können, dass sie medizinisch versorgt werden, wenn sie krank sind, auch wenn
sie nicht reich sind. Die meisten von uns könnten sich Schule und Ausbildung
für sich und ihre Kinder nicht leisten, wenn sie alles selber bezahlen müssten.
Und viele von uns würden versuchen, ihr Glück in einem anderen Land zu suchen,
wenn ein Leben hier unmöglich wäre. Wir leben in einer interessanten Zeit, weil
man sich nun endlich wieder ernsthaft überlegt, was man einem
Wirtschaftssystem, das ohne Rücksicht auf Verluste den Einzelnen nach Bedarf
einsaugt und ausspuckt, dessen mächtigste Exponenten sich nur noch selber
bereichern und die den Staat aus nachvollziehbarem Eigennutz möglichst zahnlos sehen
wollen, entgegenhalten kann. Wirtschaft und Gesellschaft müssen im Wechselspiel
funktionieren – das sollte wohl jedem einleuchten, ebenso dass Unternehmen, die
ihre soziale und ökologische Verantwortung nicht wahrnehmen, für eine
Gemeinschaft wertlos sind.
Vergessen wir also nicht, wer wir sind, wenn wir im Rat sitzen, und für wen wir dort sitzen...
Die 1:12-Initiative war Zeugin eines Anspruchs der Gesellschaft an die
Wirtschaft und sorgte zumindest für inspirierende Debatten, die
Mindestlohninitiative geht in gewisser Hinsicht in die gleiche Richtung. Es warten
bereits Diskussionen um die Einheitskrankenkasse oder das bedingungslose Grundeinkommen,
ebenso jene um die bundesweite Abschaffung der Pauschalbesteuerung für reiche
Ausländerinnen und Ausländer. Auch die von der AL lancierte kantonale
Initiative für eine bezahlbare Kinderbetreuung will die Wirtschaftsvertreter und
-vertreterinnen in die Gesellschaft einbinden.
Vergessen wir also nicht, wer wir sind, wenn wir im Rat sitzen, und für
wen wir dort sitzen – wir sind Wesen aus Fleisch und Blut und mit einer Seele
ausgestattet. Und wir sind endlich. Wir brauchen gar nicht so viel: Liebe,
Gemeinschaft, Respekt und ein paar Sicherheiten wie ein verlässliches Dach über
dem Kopf, einen existenzsichernden Lohn und garantierte Versorgung, wenn wir
schwach sind.